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25.04.2019 Aktuelles Alle Nothilfe Projekte & Hilfsprogramme Asien Die Probleme in Nepal sind nicht gelöst

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Ishwori Sharma (59) ist seit über 30 Jahren für SOS-Kinderdorf tätig, unter anderem als Lehrer, Schulleiter und Projektleiter. Als Direktor von SOS-Kinderdorf Nepal ist er aktuell verantwortlich für über 18 000 gefährdete Kinder und Jugendliche, die durch 890 Mitarbeitende in 45 Programmen an zehn verschiedenen Standorten betreut und begleitet werden.

 

Ishwori Sharma, würden Sie das Erdbeben von 2015 als vergessene Katastrophe bezeichnen?

Ja. Denn die Aussenwelt, die weltweite Öffentlichkeit, hat das Leiden vergessen und setzt mittlerweile andere Prioritäten – es gibt Kriege, neue grosse Erdbeben und Tsunamis wie zum
Beispiel in Indonesien. Aber für die betroffene Bevölkerung hier in Nepal ist es noch keine vergessene Katastrophe, denn der Wiederaufbau geht nur sehr langsam voran, und viele Familien,
die ihre ganze Lebensgrundlage verloren haben, können derzeit nicht behaupten, dass es ihnen wieder wirklich gut geht. Auch wenn das Haus vielleicht wieder steht, heisst das noch
lange nicht, dass die gesamte Infrastruktur des Landes wiederhergestellt ist. Ausserdem ist das Trauma noch nicht von allen verarbeitet. Diese Menschen leiden immer noch sehr.

Wie wirkt es sich auf Nepal aus, dass die Medien mittlerweile über andere Katastrophen berichten?

Das ist ein Problem, denn der Bedarf ist immer noch gross. Hilfe wird nach wie vor benötigt. Viele Familien warten immer noch auf Unterstützung von der Regierung oder von Hilfsorganisationen. Sie wohnen zum Teil noch in provisorischen Unterkünften, in denen es im Sommer zu heiss und im Winter zu kalt ist. Die meisten Hilfsorganisationen sind mittlerweile, nach der ersten Nothilfe, abgezogen. Nicht so SOS-Kinderdorf. Wir waren schon vorher vor Ort und bleiben es auch jetzt. Das ist ein wichtiges Zeichen für die Bevölkerung.

Wie ist die Situation in Nepal heute, über vier Jahre nach dem Ereignis?

Sie hat sich mit der Zeit etwas verbessert. Die Bevölkerung hat gelernt, mit der Situation umzugehen. Viele gehen wieder ihrem normalen Alltag nach. Aber diejenigen, die alles verloren haben, sind in einer schwierigen Situation. Dieser Teil der Bevölkerung erholt sich nur langsam.

Ist das noch ein kleiner Teil der Bevölkerung?
Nein, leider hat nur ein Bruchteil der am schwersten Betroffenen Hilfe bekommen. Der grösste Teil leidet noch sehr. Die Probleme sind nicht gelöst.

Zusätzlich zu den bestehenden Herausforderungen kommt der Monsun. Hat er die Situation verschlimmert?

Der Monsun war glücklicherweise 2018 nicht so heftig wie in anderen Jahren. Letztes Jahr gab es Todesopfer, dieses Jahr hatten wir zwar schlimmen Regen, aber die Zerstörung war
nicht so gross wie sonst.

Welches sind die wichtigsten Herausforderungen in Nepal?

Das Land muss sich künftig vermehrt auf die sozioökonomische Entwicklung fokussieren. Ich bin zuversichtlich, dass sich die aktuelle Regierung hauptsächlich darauf konzentrieren wird.
Wir als SOS-Kinderdorf müssen unsere Prioritäten verstärkt auf alternative Betreuungsformen legen. Bis jetzt haben wir uns auf die langfristige Betreuung im Kinderdorf konzentriert, wo die
Kinder begleitet werden, bis sie selbständig sind. Seit dem Erdbeben ist der Betreuungsbedarf für Kinder, die ihre Eltern verloren haben oder Gefahr laufen, die elterliche Fürsorge zu verlieren, sehr hoch. Wir können aber nicht hunderte Kinderdörfer bauen. Aus diesem Grund fördern wir die Pflege bei Verwandten. Die Wirkung dieser Betreuungsform ist sehr gut. Mit minimalem finanziellem Einsatz kann das Recht auf Betreuung, Schutz und Gesundheit gewährleistet werden. In der nächsten Zeit werden wir uns auch Gedanken machen müssen über Kurzzeitbetreuung als Übergangslösung, bis eine definitive Betreuung für ein Kind garantiert ist. Und wir stärken Gemeinden, damit deren Familien in der Lage sind, sich und ihre Kinder auf einer guten Basis selbst zu versorgen. Ich sehe den Fokus von SOS-Kinderdorf in Nepal künftig ganz klar in der gemeindebasierten Familienstärkung. So können wir noch mehr Kinder in Not erreichen.

Ist alternative Betreuung nachhaltiger als die Betreuung im Kinderdorf?

Definitiv ja. Wir sind mit den Familienstärkungsprogrammen jeweils zwischen drei und fünf Jahren in den Gemeinden aktiv, um sicherzustellen, dass die Familien in der Lage sind, für sich selbst zu sorgen. Diese Hilfe zur Selbsthilfe ist nachhaltige Hilfe. Auch die Pflege bei Verwandten ist ein nachhaltiges Programm, denn der soziokulturelle Kontext des Landes ist prädestiniert für diese Art von Betreuung. Es ist geschichtlich verankert, dass sich Verwandte um ein Kind kümmern, das die elterliche Fürsorge verliert. Nur wenn sie selbst aus finanziellen oder anderen Gründen nicht in der Lage sind, tun sie das nicht.

Was genau hat SOS-Kinderdorf in der Zeit nach dem Erdbeben bis heute gemacht?

Wir haben verschiedene Arten von Intervention gemacht: Unmittelbar nach dem Erdbeben haben wir kinderfreundliche Zonen eingerichtet, um die Gefahr von Menschenhandel zu bannen und damit die Eltern ihren Alltag wieder aufbauen können. Dann unterstützten wir den Wiederaufbau der Existenzgrundlagen. Dazu gehört auch, dass wir Kindern so schnell wie möglich nach der Katastrophe wieder Bildung ermöglichten. In einigen sehr stark betroffenen Gebieten halfen wir der Bevölkerung auch beim Wiederaufbau ihrer Häuser. Wir haben uns auch nachdrücklich für die Erneuerung von Schulgebäuden eingesetzt.

Welches sind die nächsten Schritte?
Die Regierung von Nepal schätzt die Programme von SOS-Kinderdorf wegen ihrer Effizienz und Effektivität sehr. Darum wollen wir unsere Arbeit erweitern und dabei stets die Qualität
verbessern. Da wir noch mehr Kinder erreichen möchten, werden wir vermehrt die Betreuung durch Verwandte fördern. Weiter sind wir daran interessiert, die Möglichkeiten der Mittelbeschaffung in Nepal einzuführen. Bei der aktuellen wirtschaftlichen Lage ist das noch ein unwahrscheinliches Szenario, aber sobald sich das Land erholt hat, bin ich zuversichtlich, dass das möglich ist.

Welche Erkenntnisse nimmt SOS-Kinderdorf aus der Erdbebenkatastrophe mit?

Unmittelbar nach dem Erdbeben begaben wir uns in das Katastrophengebiet. Wir wussten nicht, was uns erwartet. Und klar passierten im Chaos
auch Fehler. Daraus haben wir viel gelernt. Dank dieser Erfahrungen haben wir die Flut letztes Jahr zum Beispiel schon viel professioneller und strukturierter gemeistert. Wir gehen Nothilfeeinsätze jetzt viel systematischer, besser geplant und vorbereitet an. Und wir bereiten Kinder in unserer Obhut, Mitarbeitende und die Bevölkerung mit gezielten Trainings auf mögliche Notfallsituationen vor. Das Erdbeben gab uns auch die Gelegenheit, uns zu verbessern – sofern man dieser schrecklichen Katastrophe trotzdem etwas Positives abgewinnen möchte.

 

Ishwori Sharma, Nationaldirektor SOS-Kinderdorf