Schwangerschaft in ungleichen Welten

10.12.2025 Gesundheit

Ein Kind zu erwarten ist nicht überall ein Kinderspiel. Wie Frauen sich in ihrer Schwangerschaft fühlen, hängt in hohem Masse vom Umfeld ab. Sarah Atcho-Jaquier aus der Schweiz und Khadra aus Äthiopien geben Einblicke in ihre persönlichen Erfahrungen.

Ein sensibler Lebensabschnitt

Schwangerschaft ist ein besonderer Lebensabschnitt für jede Frau, in der sie sehr verletzlich ist und grosse Veränderungen durchmacht. Er kann von Vorfreude, Unsicherheit, tiefem Vertrauen in das eigene Leben und noch viel mehr Emotionen geprägt sein. Wie sicher und begleitet eine Frau diese Zeit verbringt, hängt auch davon ab, in welchem Land sie lebt. Um diesen Unterschied greifbar zu machen, haben wir unsere Botschafterin Sarah Atcho-Jaquier (30) befragt, wie sie ihre Schwangerschaft in einem gut aufgestellten Land wie der Schweiz erlebt hat. Ähnliche Fragen haben wir der werdenden Mutter Khadra im äthiopischen Gode gestellt. SOS-Kinderdorf unterhält in der Stadt, die in einem abgelegenen und trockenen Landstrich im Osten des Landes liegt, ein medizinisches Zentrum.

In der Schweiz ist die medizinische Versorgung bei Schwangerschaften sehr gut. Werdende Mütter können regelmässige Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen, die problemlos zu erreichen sind. Sie werden umfangreich informiert, individuell beraten und dürfen auf eine Geburt in sicherer Umgebung hin fiebern.

Ganz anders sieht die Lage in Gode abseits von asphaltierten Strassen und grösseren Städten aus. Äthiopien gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Die Bevölkerung leidet immer wieder unter Konflikten, Dürren und Hungerkrisen. Wie an vielen Orten fehlt es in Gode an medizinischen Einrichtungen und Rettungsfahrzeugen. Frauen sterben an vermeidbaren Komplikationen, die während Schwangerschaft und Geburt auftreten können. Sie müssen häufig weite und beschwerliche Wege zurücklegen, um qualifizierte Hilfe zu erhalten. Seit 2005 ist das medizinische Zentrum in Gode, das SOS-Kinderdorf eröffnet hat, eine lebenswichtige Anlaufstelle für sie. «Pro Monat gebären hier etwa 30 bis 40 Frauen.», erzählt uns eine medizinische Angestellte. 

Dieses Projekt hilft, folgendes UN-Nachhaltigkeitsziel zu erreichen:

SDG 3: Gesundheit und Wohlergehen

Zwischen Betreuung und täglichen Hürden

Sarah Atcho-Jaquier (30), Profi-Leichtathletin und Botschafterin von SOS-Kinderdorf, lebt in der Westschweiz und blickt aufgrund guter Betreuung und einem starken sozialen Umfeld dankbar auf ihre Schwangerschaft. «Ich konnte bis zur 33. Woche Sport machen, was mir in mentaler Hinsicht sehr geholfen hat.» Um Beruf und Kind zu vereinbaren, haben Sarah und ihr Partner Zeitpläne angepasst und psychologische Unterstützung in Anspruch genommen, um sich auf die grosse Veränderung einzustellen. Ihr direktes Umfeld erlebt sie als präsent und ermutigend. Gemeinsam mit ihrer Gynäkologin konnte Sarah Freunde und Familie auch davon überzeugen, dass intensiver Sport dem Baby nicht schadet, solange sie sich gut und gesund ernährt. «Ich habe viel gegessen,» erzählt sie uns. Die Fülle an Informationen, die es rund um Ernährung in der Schwangerschaft gibt, empfindet Sarah aber als schwer zu filtern. Sie meint: «Man muss sich seine eigene Meinung bilden und den Informationsüberschuss einfach ausblenden.»

Währenddessen hält sich in Äthiopien der gefährliche Irrglaube, dass schwangere Frauen möglichst wenig essen sollten, damit ihr Kind nicht zu gross wird und so die Geburt erschwert. Diesen und anderen Fehlinformationen wirkt das medizinische Zentrum in Gode mit Aufklärungsarbeit entgegen. 

Die 30-jährige Khadra, die zum vierten Mal schwanger ist und fast eine Stunde zu Fuss ins Zentrum geht, erzählt uns im Interview: «Bei den regelmässigen Untersuchungen habe ich gelernt, wie wichtig nahrhafte Ernährung während der Schwangerschaft ist. Das medizinische Personal hat mir erklärt, welche Lebensmittel gut für mich und mein Baby sind.»
Im Allgemeinen fühlt sie sich gut, obwohl sie etwas an Gewicht verloren, nächtlicher Ruhe eingebüsst sowie Rücken- und Nierenschmerzen hat. Khadraerzählt, dass ihr alltägliche Aufgaben zunehmend schwerer fallen. «Besonders das Wäschewaschen ist schwierig, weil ich dabei lange in einer unbequemen Haltung sitzen muss,» erzählt sie uns offen. Sie hofft, dass ihre Beschwerden dem Baby nicht schaden. «Ich sehe dünner aus als sonst und meine Hautfarbe hat sich verändert.»

Dank dem Zugang zu medizinischen Kontrollen fühle sie sich aber sicher. Auch ihr Zuhause und die Gemeinschaft geben ihr eine gewisse Ruhe. Ihre Familie unterstütze sie bei Aufgaben wie dem täglichen Kochen. Auf die Frage, was sie in Bezug auf die Geburt beschäftige, antwortet sie: «Es gibt immer ein bisschen Angst und Unsicherheit, aber ich freue mich sehr darauf, ein gesundes und glückliches Baby zu bekommen.»

Ungleichheiten weiter entgegentreten

Um mehr Frauen eine sichere Schwangerschaft und Geburt zu ermöglichen, führt die Einrichtung in Gode Aufklärungsaktionen zu fachgerechter Vorsorge durch und hält seine Türen für Frauen und Mädchen weit offen. Eine Mitarbeiterin erzählt uns: «Wir nutzen Poster, Rollenspiele und Geschichten, um die Botschaften verständlich zu machen. Gemeindegesundheitshelfer verbreiten die Infos auch in entlegene Dörfer, um Frauen zu erreichen, die selten ins Zentrum kommen.»

Sarah empfindet grossen Schmerz über die Ungerechtigkeit, wenn sie daran denkt, dass Frauen in Äthiopien unter erschwerten Bedingungen ihre Schwangerschaft meistern: «Ich wünsche mir, dass alle Frauen sich in dieser Phase sicher und unterstützt fühlen.» Trotz aller strukturellen Unterschiede kommt eine Gemeinsamkeit bei den beiden Frauen aber deutlich im Interview heraus: Sie freuen sich darauf, ihr Kind willkommen zu heissen und wünschen sich, dass es glücklich ist.

Ihre Spende ermöglicht die Unterstützung unserer Arbeit in Gode und vieler anderer Projekte, die Kindern und ihren Familien zugutekommen.

Inhaltsverantwortlich:

Julia Ronnacker

Praktikantin Kommunikation

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