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- 74% der Befragten erachten die Situation gefährdeter Kinder und Jugendlicher als ein Problem von Bedeutung. Sie nennen eine dysfunktionale Familiensituation als Hauptursache für die Gefährdung.
- In der Deutschschweiz wird das Problem als weniger gravierend eingestuft als in der Westschweiz.
- 80% der Befragten sind der Meinung, dass die Kinderrechte in der Schweiz weitgehend eingehalten werden. Jedoch können ein dysfunktionales Umfeld oder schwierige Rahmenbedingungen diese Rechte direkt oder indirekt gefährden.
- Nur 10% glauben, dass die Behörden schutzbedürftigen Kindern und jungen Erwachsenen ausreichend Unterstützung bieten. 26% der Befragten erachten die Massnahmen der Behörden als unzureichend.
Zum Weltfamilientag veröffentlicht die Stiftung SOS-Kinderdorf Schweiz die Ergebnisse ihrer Umfrage über die Wahrnehmung der Bedürfnisse von Kindern und jungen Erwachsenen in vulnerablen Situationen sowie die Einhaltung der Kinderrechte in der Schweiz. Eine Mehrheit der befragten Schweizerinnen und Schweizer betrachtet dieses Thema als relevant und ist der Ansicht, dass schutzbedürftige junge Menschen besser unterstützt werden sollten, insbesondere durch wirksamere Massnahmen der öffentlichen Hand. Darüber hinaus sind die meisten Befragten der Meinung, dass die Kinderrechte in der Schweiz im Allgemeinen gut eingehalten werden, mit Ausnahme des digitalen Raums, wo Defizite festgestellt werden. Mit der Veröffentlichung dieses Berichts möchte SOS-Kinderdorf Schweiz die Bedeutung eines sicheren und beschützenden Umfelds für die gesunde Entwicklung von Kindern hervorheben.
Die Umfrage wurde im April 2024 durchgeführt und umfasst die Meinungen von fast 1’650 Personen ab 18 Jahren, gleichmässig verteilt auf die Deutsch- und Westschweiz. Die heute veröffentlichten Ergebnisse geben Aufschluss über die Herausforderungen für Kinder und junge Erwachsene, die unter schwierigen Bedingungen aufwachsen und deren Wohlergehen gefährdet ist. Zudem spiegeln die Resultate die Wahrnehmung der Schweizer Gesellschaft in Bezug auf diese Personengruppen wider.
Alex de Geus, Geschäftsführer von SOS-Kinderdorf Schweiz, erläutert: «Mit dieser Studie möchten wir die Wichtigkeit des Schutzes der Kinderrechte und der Förderung und Stärkung des familiären Rahmens hervorheben. Auch heute noch sind zu viele Kinder und junge Erwachsene Gewalt ausgesetzt oder werden früh von ihren Familien getrennt – auch in der Schweiz. Es ist deshalb dringend notwendig, diesen jungen Menschen ein Umfeld zu bieten, in dem sie sicher aufwachsen und sich entwickeln können. Genau das strebt unsere Stiftung seit 60 Jahren an.»
Grosse Besorgnis, aber in der Deutschschweiz weniger stark ausgeprägt
Die Umfrageerbnisse zeigen eine weit verbreitete Besorgnis unter der Schweizer Bevölkerung bezüglich der Situation gefährdeter Jugendlicher. 74% der Befragten finden das Thema bedeutsam, 38% halten es für ein wichtiges (25%) oder sogar sehr wichtiges (13%) Problem. Die Sensibilität variiert nach Region: In der Deutschschweiz halten 27% der Befragten das Problem für wenig wichtig, im Vergleich zu nur 10% in der Westschweiz. Auch einkommensschwache Haushalte und Familien mit Kindern fühlen sich von dieser Problematik stärker betroffen. Diese Besorgnis ist statistisch untermauert, da laut Pädiatrie Schweiz die von den Schweizer Kinderkliniken gemeldeten Fälle von Gewalt gegen Kinder im Jahr 2023 um 11% gestiegen sind.
Ein dysfunktionales Familienumfeld, gekennzeichnet durch häusliche Gewalt, Drogenmissbrauch und ähnliche Probleme, wird von 84% der Befragten (82% in der Deutschschweiz) als Hauptursache von Vulnerabilität genannt. Als weitere Gründe werden psychische Probleme und Armut betrachtet. Dementsprechend wird der Schutz vor Vernachlässigung und Missbrauch von 78% und emotionale sowie psychologische Unterstützung von 72% der Befragten als die dringendsten Bedürfnisse der verletzlichen Personen angesehen.
Alex de Geus fügt hinzu: «Um sich zu entwickeln und zu wachsen, brauchen Kinder vertrauensvolle und stabile Beziehungen zu ihren Bezugspersonen. Solche sind entscheidend für ihre Persönlichkeitsbildung, ihr Selbstwertgefühl und die Entwicklung ihrer sozialen Kompetenzen während ihres gesamten Lebens. Diese Fähigkeiten und Charaktereigenschaften tragen zu ihrem psychischen Wohlbefinden bei und beeinflussen ihren schulischen und beruflichen Erfolg im Erwachsenenalter.»
Einhaltung der Kinderrechte bietet nur im digitalen Raum Grund zur Sorge
Während die meisten Befragten die Bedeutung der Vulnerabilität junger Menschen als problematisch anerkennen, ist eine grosse Mehrheit (80%) der Meinung, dass die Kinderrechte im Allgemeinen gut gewahrt werden, was paradox erscheinen mag. Tatsächlich können die benannten Ursachen von Verletzlichkeit direkt oder indirekt die Rechte des Kindes verletzen. Darüber hinaus hat der UN-Ausschuss in seinen Empfehlungen vom Oktober 2021 mehrere bedenkliche Defizite punkto Schutz der Kinderrechte in der Schweiz aufgezeigt. Dazu zählen der Mangel an aussagekräftigen Daten zu Gewalt gegen Kinder und das Fehlen einer nationalen Strategie zur Umsetzung der Kinderrechte.
Die Umfrage von SOS-Kinderdorf Schweiz zeigt auch, dass viele Befragte Bedenken hinsichtlich der Wahrung der Kinderrechte im digitalen Raum haben. 75% der Schweizerinnen und Schweizer sind der Ansicht, dass diese Rechte im Internet nicht ausreichend geschützt werden, und 26% glauben sogar, dass sie überhaupt nicht beachtet werden. 73% der Befragten erachten das «Sharenting», d.h. die Veröffentlichung von Fotos der eigenen Kinder in sozialen Netzwerken, als inakzeptabel.
Unterstützungsmassnahmen, die verstärkt werden sollten
Die Meinungen zur Wirksamkeit der Unterstützungsmassnahmen durch die öffentliche Hand für Kinder und junge Erwachsene in gefährdeten Situationen sind geteilt. Eine Mehrheit der Befragten (52%) glaubt, dass die Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung für junge, schutzbedürftige Menschen verbessert werden könnten, und 26% sind der Ansicht, dass die Behörden nicht genug unternehmen. Lediglich 10% der Schweizerinnen und Schweizer sind der Meinung, dass die öffentliche Hand ausreichend Unterstützung für gefährdete junge Menschen bietet.
Zu den dringendsten Massnahmen gehören für 64% der Befragten (62% in der Deutschschweiz) die Ausweitung pädagogischer und psychologischer Unterstützungsprogramme, für 50% ein besserer Zugang zu erschwinglichen Wohnungen und für 47% eine Verbesserung der Kinderschutzdienste (44% in der Deutschschweiz). Die Schweizer und Schweizerinnen wurden überdies zu ihrer Bereitschaft befragt, sich für schutzbedürftige Kinder und junge Erwachsende zu engagieren. Nur ein knappes Viertel der Befragten (24%) bejaht, an Unterstützungsmöglichkeiten für schutzbedürftige Kinder und junge Erwachsene interessiert zu sein, während ein ähnlich hoher Anteil (22%) fehlendes Interesse bekundet. Freiwilligenarbeit wird als die attraktivste Form des Engagements identifiziert (46%), gefolgt von Nachhilfeunterricht (39%), Spenden (36%) und administrativer Unterstützung (34%).
«Die weit verbreitete Sorge der Schweizer Bevölkerung um die Verletzlichkeit von Kindern und jungen Erwachsenen ist ein klarer Appell für verstärkte Massnahmen», sagt Alex de Geus. «Seit der Covid-Krise hat sich die Lage verschärft, da die prekäre Situation bestimmter Bevölkerungsgruppen zugenommen hat, und auch die Zahl der nachgewiesenen Gewaltfälle steigt. Wir müssen unsere Anstrengungen verstärken, um jungen Menschen ein gesundes familiäres Umfeld, emotionale und psychologische Unterstützung sowie Zugang zu beständigem Wohnraum zu garantieren. Mit diesem Anspruch haben wir 2023 das Pilotprojekt CAREer ins Leben gerufen. Es ist unsere gemeinsame Verpflichtung, gefährdeten jungen Menschen beizustehen.»
Das Pilotprojekt CAREer von SOS-Kinderdorf Schweiz
Die Stiftung SOS-Kinderdorf Schweiz hat 2023 mit CAREer ein Pilotprojekt im Kanton Bern lanciert, um das erste eigene Programm in der Schweiz aufzubauen. CAREer zielt darauf ab, die Chancengleichheit, Arbeitsfähigkeit und Eigenständigkeit von Careleaver:innen und jungen Erwachsenen mit Unterstützungsbedarf zu fördern. Der Fokus von CAREer liegt auf der Begleitung im Übergang in die Arbeitswelt und der Finanzierung von Bildungsprojekten Dank der Kooperation mit Unternehmenspartnern erhalten Teilnehmende Einblicke in verschiedene Berufsfelder sowie individuelle Unterstützung bei der beruflichen Entwicklung. Das Pilotprojekt CAREer läuft noch bis Ende 2024 im Kanton Bern. Nach dessen Abschluss wird eine umfassende Bilanz gezogen, um die Erfahrungen und Erkenntnisse für die Weiterentwicklung des Angebots und die Einführung des Schweizer Programms zu nutzen.
Hier können Sie sich die gesamte Umfrage im Detail anschauen.